Grabstein des Monats Dezember 2014
Schon lange finden sich auf Gräbern neben den nüchternen Lebensdaten der Verstorbenen auch Inschriften in Form von Sinnsprüchen. Traditionell handelt es sich dabei hierzulande meist um Verse aus der Liturgie. Im Schatten der Individualisierung und der Pluralisierung von Abschied, Trauer und Gedenken lässt sich aber mittlerweile auch eine große Vielfalt von Grabsprüchen beobachten. Deren Ursprünge wurzeln immer häufiger in säkularen Kontexten. Neben privaten Poesien des Verstorbenen oder seiner Angehörigen bedient man sich somit immer häufiger auch bekannter Zitate aus der Welt des Films und Fernsehens, aus Literatur und Theater, aus Wissenschaft und Politik, aus Lyrik und alltäglichem Sprachgebrauch, oder – wie im vorliegenden Fall – aus der Musik. Dieser Grabstein bricht auch insofern mit gewohnten Konventionen (und bekräftigt damit einen weiteren Trend), als er Nachnamen und Lebensdaten wiederum verschweigt und die Verstorbene somit nur noch für ihre Angehörigen näher ›identifizierbar‹ bleibt.
Grabstein des Monats November 2014
Grabsteine waren schon immer insofern »personalisiert«, als sie traditionell den Namen und die Lebensdaten der verstorbenen Person aufwiesen. Diese Form der Verbindung von Erinnerungsstätte und subjektivem Lebensverlauf war allerdings sehr »förmlich« – außenstehenden Friedhofsbesucher wurde dadurch nichts von dem Charakter und von den Eigenheiten der oder des Beerdigten verraten. Im Zuge der Individualisierung machen die herkömmlichen »Grabinformationen« seit einiger Zeit zunehmend solchen Grabgestaltungen Platz, die den Begriff »Person« wortwörtlich mit der Persönlichkeit verbinden. Auch dabei können natürlich nur einige Lebensaspekte präsentiert werden, und auch sie lediglich in komprimierter Form.
Unser Grabstein des Monats zeigt ein solches Beispiel: Der Verstorbene ist hier nicht mit einem Spitznamen aufgeführt – sondern offenbar gleich mit zwei! Sein Gemüt war, das sollen die Betrachter erfahren, sonnig, und seine Leidenschaft verraten die beiden musikalischen Symbole. Vermutlich hat »Bully« gerne Trompete und Gitarre gespielt – und just diese Attributen, Hobby und Spitznamen, sind die »Andockstellen« für Erinnerungsleistungen an seinem Grab. Die Versachlichung des Lebens am Grab weicht zunehmend einer individuellen, durchaus bunten, durchaus eigenwilligen Bilanz.
Grabstein des Monats Oktober 2014
Alles ist vergänglich! Aber wohl an kaum einem anderen Ort wird einem die Endlichkeit des Lebens drastischer vor Augen geführt als auf dem Friedhof. Zu den typischen Vanitassymbolen der Grabmale gehören neben Kreuzen, Kerzen und Rosen auch Darstellungen von Uhren. Das Chronometer gibt es inzwischen in allen möglichen Varianten. Es ist nicht nur ein zentraler Taktgeber der modernen Gesellschaft, der das (Zusammen-)Leben strukturiert; Uhren besitzen zugleich einen symbolischen Gehalt. Als Zeichen des memento mori sind sie häufig in den Stein graviert, zuweilen findet man sogar echte Uhren als Ablagegegenstände am Grab. Im vorliegenden Fall wird das Zeitmotiv zum einen durch das silberfarbene Pendel einer Wanduhr angedeutet. Man wird bildhaft daran erinnert, dass der Lebenslauf sowohl mit verrinnender Zeit, wie auch mit dem geradezu metronomartigen Rhythmus des Herzschlages in Verbindung steht. Etwas kryptisch mutet zudem die Inschrift an – ein lakonischer Ausdruck der Sehnsucht nach mehr (gemeinsam geteilter) Lebenszeit…
Grabstein des Monats September 2014
Zunehmend lässt sich eine Tendenz hin zur Verrätselung von Grabinschriften feststellen. Dort, wo die Lebensweisen von Menschen eher auf das engere soziale Umfeld zugeschnitten sind – anstatt, wie zu früheren Zeiten und heute noch bei dörflichen Strukturen, auf ein größeres Gemeinschaftswesen –, ist der Kreis der »Adressaten« geringer. Dafür sind diejenigen, die von einem Grab »betroffen« sind, aber auch wesentlich näher mit der verstorbenen Person bekannt gewesen. Aus dieser intimen Kenntnis ergibt sich die Möglichkeit, Andeutungen, Symbole und andere Verweise auszubuchstabieren, die folglich nur für ausgewählte Friedhofsbesucher einen greifbaren Sinn ergeben.
Unser Grabstein des Monats liefert eine vergleichsweise traditionelle Variante: Neben die Lebensdaten, eine ästhetische Figur und eine im wahrsten Sinne des Wortes herzliche Darstellung des Beziehungsverhältnisses ist durch einen Begriff und einen Zahlencode eine Bedeutungskonstellation gerückt, die uneingeweihte Betrachter absichtsvoll vor ein Rätsel stellt – während Insider genau wissen dürften, was es mit »Sao 73868« auf sich hat.
Grabstein des Monats August 2014
August heißt Sommerzeit. Und Sommerzeit heißt Reisezeit! Für viele Menschen ist das Flugzeug ein beliebtes Transportmittel, wenn es in die lang ersehnten Ferien geht. Hoch über den Wolken bringt sie das, wie es heißt, »sicherste Verkehrsmittel der Welt« in kurzer Zeit von A nach B. Dass das Flugzeug aber nicht nur eine komfortable Reise garantiert, sondern in vielen verschiedenen Variationen immer häufiger auch auf Grabsteinen landet, mag wohl in erster Linie mit seinem Symbolgehalt zu tun haben: Freiheit, Unabhängigkeit, Mobilität sind Kennzeichen eines selbstbestimmten Lebens in der modernen Gesellschaft – und zugleich Begriffe, für die der Flugverkehr steht. Außerdem geben solche Motive Einblicke in die Lebenswelt derer, für die die Fliegerei eine Leidenschaft ist. Und nicht zuletzt kann der Flieger auch für tragische Ereignisse stehen, etwa für einen Todesfall durch Absturz.
Grabstein des Monats Juli 2014
Die Traktorfahrt gehört üblicherweise zum Berufsalltag; als Freizeitbeschäftigung kommt sie wohl nur für wenige Menschen in Frage. Der Arbeitskontext bedeutet aber nicht zwingend, dass die Aufgabe unpersönlich oder gar aufgezwungen ist. Gerade der landwirtschaftliche Bereich taucht in Friedhofswelten immer wieder als Identifikationsmerkmal von Persönlichkeiten auf. Der Lebensrückblick deutet in solchen Fällen auf ein harmonisches Verhältnis von Person und Tätigkeit – so wie in diesem Beispiel, in dem der (führerlos gewordene) Traktor post mortem des Grabfeld umpflügen darf. Er ist ein gutes Beispiel für »Grabkultur« im wortwörtlichen Sinne – denn cultura bedeutet ursprünglich »Ackerbau«.
Grabstein des Monats Juni 2014
Die Beziehung zwischen Mensch und Tier hat sich verändert – und so hat auch der Heimtiertod in den letzten circa 20 Jahren an Bedeutung gewonnen. Das zeigt sich insbesondere am rasanten Anstieg von Tierbestattungen und der Installation von Tierfriedhöfen. Viele klassische und innovative Elemente des Menschenfriedhofs werden auch auf dem Tierfriedhof aufgegriffen – und bisweilen überspitzt. Das abgebildete Grab, und viele weitere, machen deutlich, dass die Anthropomorphisierung, also die Vermenschlichung der eigenen Haustiere, auch (und vor allem) post mortem eine Fortsetzung findet.
Grabstein des Monats Mai 2014
Christliche Symbole wie Kreuz, Engels-, Marien-, oder Jesusdarstellungen bekommen auf Gräbern heutzutage Konkurrenz von Zeichen, die nicht etwa auf Kollektivität und Jenseitsglaube anspielen, sondern eine persönliche Bilanz eines individuellen Leben sind. Sakrales und Profanes muss sich aber nicht unbedingt ausschließen; manchmal kann ein einzelnes Grabmotiv auch beides repräsentieren. Der Kölner Dom ist einerseits ein »Gotteshaus« und drückt andererseits als Wahrzeichen der Stadt Heimatverbundenheit aus – das Symbol wird so zum Persönlichkeitsmerkmal.
Grabstein des Monats April 2014
Autos sind nicht nur als Garanten der persönlichen Mobilität von Bedeutung, sondern auch als Statussymbole. Sie dienen beispielsweise dazu, eine spezifische Lebenseinstellung zum Ausdruck zu bringen, signalisieren einen bestimmten Wohlstand, verweisen metaphorisch auf den Wert der persönlichen Freiheit oder demonstrieren die Reisefreudigkeit der Wagenbesitzer. Diese vielfältige Anschlussfähigkeit eröffnet Kraftfahrzeugen zunehmend die Einfahrt auf den Friedhof – sei es in Form von Fotos, abgelegten Nummernschildern, ausrangierten Fahrzeugteilen oder aber, wie hier zu sehen, als Miniaturnachbildung des zu Lebzeiten gerne benutzten Wagenmodells.
Grabstein des Monats März 2014
Grabsteine traditioneller Friedhöfe sahen sich lange Zeit sehr ähnlich und versinnbildlichten damit nicht zuletzt die Idee der Gleichheit nach dem Tod. In Zeiten der Individualisierung tanzen moderne Gräber jedoch vermehrt aus der Reihe. Was Form und Farbe angeht, trotzt auch das vorliegende Beispiel den Konventionen und stellt dadurch einmal mehr unter Beweis: Der Friedhof wird bunter. Immer häufiger bringen Angehörige ihre eigenen Ideen in die Grabgestaltung mit ein. Statt eines teuren Grabsteins wurde hier ein Stück Holz verwendet und in bunten Farben bemalt – zugleich eine Form der Trauerarbeit mit »eigenen Händen«.
Grabstein des Monats Februar 2014
Tiere als Grabsteinsymbole auf Bestattungsstätten von Menschen fallen für gewöhnlich in eine von drei Kategorien: (1) Tiere mit religiösen Bezug (etwa Taube oder Fisch); (2) Tiere, die auf Haustiere/Nutztiere der Verstorbenen verweisen; (3) Tiere, die symbolisch für menschliche Charaktereigenschaften stehen. Hier sehen wir ein Beispiel für die letztgenannte Kategorie.