Sie befinden sich hier im Archiv mit allen Grabsteinen des Monats (2014-2019).
Grabstein des Monats Dezember 2019
Ein nicht ganz ernst gemeintes Abschiedswort zum Ende einer Rubrik…
Vor fast sechs Jahren, am 9. Februar 2014, entstand in einer Homepageaktion der GdM: Heute beenden wir dieses Projekt. Die Bilderpräsentation in Form des GdM ist nun Geschichte.
Wir, das sind alle, die bis zuletzt den GdM organisiert haben. Wir tragen diesen Schritt gemeinsam. Der GdM stand immer im Widerspruch zu den Bewußtseinsmentalitäten eines Großteils dieser Gesellschaft. Da die ›Avantgarde‹ seit vielen Jahren einiges mit unserem Verständnis von Friedhöfen zu tun hat, so läßt die Konzeption des GdM die tatsächliche Aufhebung davon nicht zu. Auch deswegen können wir dieses Konzept loslassen.
Wir möchten in diesem Moment unserer Geschichte alle grüßen und ihnen danken, von denen wir auf dem Weg der letzten sechs Jahre Solidarität bekommen haben, die uns in verschiedenster Weise unterstützt haben und die von ihrer Grundlage aus mit uns zusammengearbeitet haben. Wir denken an alle, die überall in der Welt mit der Folge eines Grabsteins des Monats gestorben sind. Ihr Tod ist schmerzlich, aber niemals umsonst. Unser Dank und unsere ganze Achtung gilt denjenigen Lesern der Rubrik, deren Namen wir nicht nennen können, weil wir sie nicht kennen.
Unser Finale präsentiert einen Stein in edelster (Ver-)Fassung. Er ziert kein Grab – aber ist vielleicht eins. Auch wenn es in Deutschland illegal ist, entscheiden sich hierzulande jährlich hunderte Menschen, aus dem Kohlenstoffanteil der Kremationsasche einer geliebten Person einen Diamanten pressen zu lassen. Das Erinnerungsobjekt ist damit sowohl mobil wie auch ›körperlich‹. Es bietet sich als Schmuck an, darüber hinaus aber auch als ›sozialer‹ Gegenstand.
Wer mehr darüber wissen möchte, wie Menschen mit diesem Juwel im Alltag umgehen, der sollte unser neues Buch »Der Glanz des Lebens. Aschediamant und Erinnerungskörper« konsultieren…
Grabstein des Monats November 2019
Ein Kinderschuh auf dem Grabstein. Ein Zufallsfund, den Friedhofsbesucher um der besseren Sichtbarkeit willen an der nächstbesten Ruhestätte abgelegt haben? Oder doch ein intimer Verweis, der mit voller Absicht erfolgt und der den Angehörigen klar ist – nicht aber uns, den uneingeweihten Betrachtern? Diese Fragen stellen sich aufmerksamen Besuchern von Nekropolen immer wieder einmal. Zwischen der beabsichtigten Positionierung von Artefakten des Alltags und der Platzierung unerwarteter Fundstücke ist das riesigen Spektrum der Gegenstände lokalisiert, die nicht zum Friedhof gehören – vielleicht aber doch. Erinnerungskultur ist nicht immer Gegenstandskultur. Aber immer öfter.
Grabstein des Monats Oktober 2019
Abbildungen von historischen Gebäuden bzw. Denkmälern sind auf Grabsteinen durchaus verbreitet. Häufig stehen sie für Heimat-, Urlaubs- oder schlichtweg für Sehnsuchtsorte. Viele von ihnen lassen sich auf Anhieb leicht wiedererkennen und ihrem korrekten geografischen Standort zuweisen. Das ist aber nicht immer so. Angesichts der ebenfalls eingravierten Narrenkappe hätte man im vorliegenden Beispiel wohl eher mit dem Kölner Dom als bauliches Pendant gerechnet. Tatsächlich aber handelt es sich um das an der Kieler Förde gelegene Marine-Ehrenmal von Laboe. Über 70 Meter ragt es in den Himmel und gewährt seinen zahlreichen Besuchern nicht nur eine museale Ausstellung, sondern auch einen fabelhaften Blick auf die Ostsee. Ursprünglich als Gedenkstätte für die im Ersten Weltkrieg ums Leben gekommenen deutschen Marinesoldaten errichtet, erinnert das Bauwerk heute an sämtliche ›auf See Gebliebene‹ aller Nationen.
Grabstein des Monats September 2019
Spider-Man als Grabsteinfigur ist einerseits ein heldenhaftes Idol, die der Junge, an dessen Grab sich das Netz entspinnt, zu Lebzeiten verehrt haben dürfte. Andererseits ist sein Auftritt inmitten der Nekropole ein Hinweis auf den Austausch der Heiligenfiguren. Populärkulturelle Fantasiewesen treten an die Stelle religiöser ›Stars‹ und Transzendenz und Immanenz vermischen sich. Die Zukunft des Grabes wird sich nicht trennen lassen von der Zunahme an Profanisierung, die den sozialen Wandel der Bestattungskultur längst schon begleitet.
Grabstein des Monats August 2019
August kommt! Genauer gesagt: Er ist schon da. Unser Grabstein des Monats ist auf dem berühmten Pariser Père Lachaise zu finden. Der Protagonist, der hier seit nunmehr 162 Jahren ruht, dürfte wohl nicht jedem bekannt sein. Soziologen dagegen schon. Schließlich darf der französische Denker, eigentlich gelernter Philosoph, zu den Mitbegründern ihrer Disziplin gezählt werden, die er zunächst als »soziale Physik« bezeichnete. Aber nicht nur das ist ein Grund, ihn auf dieser Webseite zu würdigen, immerhin hat er sich auch mit dem Tod beschäftigt; überliefert ist sein Postulat: »Les morts gouvernent les vivants« – die Toten regieren die Lebenden.
Grabstein des Monats Juli 2019
Das lange Warten hat sich gelohnt – unser neuer Grabstein des Monats ist da!
Gerade in diesen Tagen ist sie wieder einmal Dauerthema: die Temperatur. Doch lässt sie uns nicht nur schwitzen und bibbern, auch in unserem alltäglichen Sprachgebrauch ist sie eine beliebte Metapher, geht es um die Beschreibung des sozialen Miteinanders und persönlicher Charaktereigenschaften. Nicht mit jedem Menschen wird man auf Anhieb warm, manchem zeigt man sogar bewusst die kalte Schulter. Wen etwas freudig berührt, dem kann schnell warm ums Herz werden, bei unangenehmen Situationen läuft es einem hingegen eiskalt den Rücken herunter. Wer sich auf ein Wagnis einlässt, der begibt sich auf dünnes Eis – vielleicht auch deshalb, weil er ein heißes Eisen anfasst, an dem er sich leicht die Finger verbrennen kann.
Es leuchtet ein, dass das soziale Klima auch und gerade an Begräbnisorten gemessen wird. Sie sind der postmortale Schmelztiegel von Abschiedsritualen, symbolischer Beziehungspflege, Kundgaben von Melancholie, Wut, Resignation, Hoffnung, Dankbarkeit, Nostalgie und vielem mehr. Am Grab befestigte fotografische Grüße aus der Vergangenheit frieren die Zeit auf ihre Weise ein. Und auch die Inschriften loten die gesamte Skala des Thermometers umfangreich aus. Ihre Stimmungen schwanken zwischen Gefrier- und Siedepunkt: Frostige Bemerkungen treffen auf heißblütige Liebesschwüre und Rückblicke auf schweißtreibende Hobbys; es wird von coolen Typen mit warmen Herzen genauso Abschied genommen wie von feurigen Temperamen-ten. Diese und andere Beispiele machen deutlich: Der Tod ist gewiss – ungewiss ist nur seine Temperatur.
Grabstein des Monats Juni 2019
Gegenwärtig fühlen sich nicht mehr allzu viele Menschen von Christus gedrängt. Hier wird ein traditionelles christliches Bekenntnis nun aber mit einem Globalisierungssymbol verbunden – kein neuer Gedanke, in dieser optischen Aufmachung aber doch eine interessante Zusammenstellung. Dieses Grab bestätigt die von uns schon mehrfach angesprochene These, dass das Neue und das Alte sich in der Bestattungskultur zunehmend ineinander verschränken.
Grabstein des Monats Mai 2019
Seit über 60 Jahren ziehen sie Jung und Alt in ihren Bann. Nicht nur in Schlumpfhausen, in Comics, im Fernsehen oder Kino, sondern auch auf Friedhöfen kann man den kleinen blauen Wesen mittlerweile begegnen. Damit sind sie nicht allein, denn immer häufiger findet man an zeitgenössischen Ruhestätten kreative Bezüge zur Populärkultur. Bekannte Figuren aus der Medienwelt, aus Fabeln, Märchen oder Mythologien sind Teil des kollektiven Gedächtnisses, sie liefern vielseitige Identifikationsmöglichkeiten – und sie zaubern so manchem Grabbesucher ein Lächeln ins Gesicht, indem sie Kindheitserinnerungen wieder aufleben lassen. Mit den Verstorbenen stehen sie insofern in Verbindung, als sie einerseits etwas über deren Interessen verraten und zum anderem stellvertretend für bestimmte Charaktereigenschaften stehen können.
Grabstein des Monats April 2019
Zwei Zahnräder greifen ineinander – und symbolisieren so den Zusammenklang zweier Lebensentwürfe. Nebenbei geben sie Auskunft über einen beruflichen Zusammenhang, und nicht zuletzt zeigen sie, dass die Steinmetzkunst nie an den Punkt des Durchspielens aller Gestaltungsoptionen kommen wird, denn die Kreativität von Hinterbliebenen (bzw. vorausschauend Denkenden zu Lebzeiten) ist noch grenzenloser als die Formvielfalt auf dem modernen Totenacker.
Grabstein des Monats März 2019
Im Leben hat man viele Rollen. Das will wohl auch diese Grabinschrift zum Ausdruck bringen, indem sie die auf verschiedene Talente, Passionen und Beziehungen der erinnerten Person zurückblickt.
Grabstein des Monats Februar 2019
Der Grabstein des Monats ist keiner, und doch einer. Schilder wie das gezeigte stehen für ein Reflexivwerden des Friedhofs: frühere Bestattungsvorgänge, -rituale, -stätten, und insbesondere die Gebeine der Vorverstorbenen werden viele Jahre, manchmal Jahrhunderte später neu (und anders) thematisiert. Indem die sepulkrale Vergangenheit auf diese Weise einer Öffentlichkeit gegenüber gewürdigt wird, die mit dem ursprünglichen Kontext nichts zu tun hat, verwandelt sich die Nekropole in gewisser Hinsicht in eine Zeitmaschine. Auch wenn kaum noch Überreste und, wie in diesem Fall, nicht einmal mehr die Erinnerung an die bestattete Person erhalten geblieben ist – die rituelle Einrahmung wird auch diesem Fall gewährt, gerade diesem, und eben dies wird deklariert.
Grabstein des Monats Januar 2019
Denkt man an typische Elemente eines ›klassischen‹ Grabsteins, dann fällt einem neben Namen und Lebensdaten des Beigesetzten sowie der obligatorischen Kreuzsymbolik meist noch ein prägnanter Bibelvers ein. Doch genauso vielfältig die Grabgestaltung im Allgemeinen geworden ist, so ist seit geraumer Zeit auch das Repertoire der ›letzten Worte‹ stark angewachsen. Immer häufiger werden sie etwa aus dem Bereich der Kino- und Fernsehunterhaltung, der Popmusik oder des Sports geliehen. Und manchmal kommt der Verstorbene an seinem Grab auch selbst zu Wort; sei es indem man ihm bestimmte Aussagen schlichtweg in den Mund legt oder tatsächlich zu Lebzeiten getroffene Äußerungen zitiert. Letzteres scheint auf unseren aktuellen Grabstein des Monats zuzutreffen, der hierdurch eine ganz besondere Note erhält. In welchen Situationen Inge(borg) diese ›Weisheit über die Weisheit‹ wohl zum Besten gab? An wen war sie ursprünglich gerichtet? Und war es vielleicht sogar der persönliche Wunsch ihres Urhebers, dass sie den späteren Grabstein zieren soll? Auch wenn sich all das aus der Perspektive des uneingeweihten Beobachters nicht sicher beantworten lässt, gewinnt man doch zumindest einen Eindruck davon, welchen Stellenwert die Worte der Verstorbenen für deren Angehörige haben können – und wie man auf diese Weise ein Weltbild als kompakte Lebensbilanz zum Ausdruck bringt.
Grabstein des Monats Dezember 2018
Für manche Friedhofsroute braucht man festes Schuhwerk. Das hier vorgefundene Modell eignet sich wohl nur bedingt – nicht zuletzt, weil es in einen Grabstein gemeißelt wurde. Die Beziehung zwischen dem Paar Schuhe und den Paarbeziehungen, die die verstorbene Person zu Lebzeiten gepflegt hatte, sind nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Ganz sicher jedoch stehen die Schuhe für einen Subtext, der über die Originalität des Motivs hinausgeht. Sie reihen sich ein in die große Vielfalt der Bekleidungsstücke, die mittlerweile als Grabmotive herhalten: Mäntel, Hüte, Krawatten, Shirts, Handschuhe, Hosen… Alles, was der gut sortierte Kleiderschrank benötigt, findet sich heute auf dem gut individualisierten Friedhof.
Grabstein des Monats November 2018
Und wenn man dir kein Papier hinlegt – dann nimm doch einfach den Grabstein! Der Grabstein des Monats im November gehört in die Reihe jener gar nicht einmal seltenen Bekenntnisse oder Aufrufe, sich gegen den Konformismus zu stellen; bzw. zu legen. Es darf vermutet werden, dass die hier bestattete Person zu Lebzeiten öfter mal unbequem bzw. querdenkerisch veranlagt war. Gewiss sind dies Etiketten, die sich heutzutage in der Selbstbeschreibung nahezu jeder anheften würde. Wird derlei allerdings als Friedhofsbilanz gezogen, als Weltabschiedsworte lesbar für die Gemeinde, der man angehörte, und denen zum Gruße, die noch einmal vorbeischauen, darf wohl durchaus von einem authentischen Kern ausgegangen werden.
Grabstein des Monats Oktober 2018
Nicht nur auf den Nekropolen Südeuropas ein vertrauter Anblick – auch hierzulande sind Fotografien an Grabsteinen inzwischen nichts Ungewöhnliches mehr. Nachdem die Bebilderung der Ruhestätte in Deutschland Jahrzehnte lang unpopulär, in einigen Friedhofssatzungen sogar ausdrücklich verboten war, kommen Gräber in letzter Zeit immer seltener ohne Fotobegleitung aus. Just an dem Ort, an dem ein toter Körper bestattet, also unsichtbar gemacht wurde, tritt ein lebender Körper in Gestalt seines fotografischen Stellvertreters in Erscheinung. Der Begräbnisort erhält somit buchstäblich ein Gesicht und Friedhofsspaziergänge erinnern mehr und mehr an das Betrachten eines Fotoalbums, das immer mal wieder auch Überraschendes bereithält. Die Bandbreite der Bildvarianten ist so enorm wie die heutige Vielfalt des Lebens; zum klassischen Porträt im (Porzellan-)Oval gesellen sich zunehmend Aufnahmen, die den Protagonisten bei der Ausübung einer bestimmten (meist für seine Lebenswelt charakteristischen, oft auch schlichtweg alltäglich-profanen) Tätigkeit zeigen – hier dominiert vor allem der Freizeitkontext. Alltagsschnappschüsse, die ursprünglich mit ganz anderen Absichten entstanden sind, erhalten auf diese Weise eine veränderte, möglicherweise noch größere persönliche Bedeutung. Und nicht immer ist es der Betrauerte selbst, der an seinem Grab visuell repräsentiert wird; die Darstellung von Hinterbliebenen, Landschaften, Gebäuden, Gegenständen oder Tieren ist mittlerweile ebenfalls nicht untypisch. Letzteres trifft auch bei unserem frisch gekürten Grabstein des Monats zu. Der Vogel, der dem Betrachter da aus dem Oval entgegen zwitschert, könnte durchaus mehrere Lesarten provozieren, wäre da nicht der ergänzende Hinweis auf Johannas frühere Berufstätigkeit (oder war es ihre Freizeitpassion?). Was im Leben wichtig war, wird nun post mortem nicht nur in Wort, sondern eben auch in Bild zum Ausdruck gebracht – und dadurch zum Erinnerungsanker.
Grabstein des Monats September 2018
An der Stätte seines Todes, dort, wo sein Leichnam bis ans Ende aller Zeiten gebettet sein soll (das meint: bis zur Aushebung des Grabes), erkennen wir, dass Heinzl noch lebt. Vorausschauend, wie er nun einmal lebt und denkt, hat er die Graborganisation zu Lebzeit in die eigenen Hände gelegt und den zukünftigen Hinterbliebenen Entscheidungsballast abgenommen. Oder misstraut er ihnen etwa..? Die Grabgestaltung ist recht traditionell, einzig die Prominenz des Spitznamens – wenn es denn einer ist – fällt aus dem Rahmen. Dennoch, sicher ist sicher. Immer mehr Menschen ziehen es vor, an ihrer eigenen Trauerstätte noch ganz untraurig stehen zu können, um wissen zu dürfen: so wird das also alles aussehen, wenn ich nicht mehr hier stehe, sondern dort unten liege. Wenn’s denn überhaupt das Ich ist, was hier begraben wird. Und nicht lediglich der Körper. Ist das beides dasselbe? Tja. Wenn Heinzl das wüsste.
Grabstein des Monats August 2018
Mit Temperaturen von weit über 30 Grad Celsius läuft der Sommer gerade zur Höchstform auf. Nicht für jeden ist das ein Vergnügen – wohl aber für Freunde des Wassersports! Besonders populär seit einigen Jahren ist das Surfen. Das ursprünglich von der Südsee stammende Wellenreiten wird inzwischen weltweit in unterschiedlichen Varianten praktiziert. Surfbretter erweisen sich damit als treue Begleiter bei jedem Wellengang – und sie finden sogar auch nach dem Ende manchen Surferlebens ihren Platz an der letzten Ruhestätte, etwa als Fotografie, als eingraviertes Motiv, als abgelegtes Original – oder, wie hier zu sehen, als steinernes Monument einer Leidenschaft. Gerade in diesem Kontext kann man ihnen ebenso eine gewisse Symbolik zuschreiben: das Auf und Ab des Lebens hat ein jeder auf seine Weise zu meistern. »You can’t stop the waves, but you can learn to surf.«
Grabstein des Monats Juli 2018
Es gibt Grabstätten, die auf den ersten Blick all das, was Grabstätten gemeinhin auszeichnen, nicht haben. Ihnen fehlt eine Namensangabe, die Lebensdaten sind nirgends verzeichnet, keine Platte, keine Inschrift ziert das Grab. Stattdessen, wie in unserem Grabstein des Monats, eine Handvoll Steine, darüber Moos und dazwischen Pflanzengewächse, welche – wer weiß – die vielleicht einstmals sichtbaren Zeichen überwuchert haben und der Ruhestätte das Image eines Naturphänomens verleihen. Hätte sich die Friedhofsverwaltung nicht dazu entschieden, per Zahlenindex darauf aufmerksam zu machen, dass nicht gärtnerische Eingebung, sondern durchaus eine Bestattung hinter diesem grünen Ensemble steht, wer hätte hier den Ablagerungsort für eine Leiche vermutet? Womöglich gehört er einem berühmten Psychologen; sichtbar gemacht wird dies jedenfalls nicht.
Grabstein des Monats Juni 2018
30 Meter ragt sie in die Höhe, ihre Arme hat sie weit ausgestreckt, ihr Blick ist auf den Zuckerhut gerichtet, und unter ihr breitet sich die Metropole von Rio de Janeiro aus. Die weltberühmte Cristo Redentor ist nicht nur brasilianisches Wahrzeichnen, Touristenmagnet und Vorbild für weitere Christusstauen an anderen Orten, sondern findet in Miniaturformat offensichtlich auch als Grabsteinmotiv Verwendung. Ob im vorliegenden Fall der christliche Glaube zum Ausdruck gebracht oder auf ein beliebtes Reiseziel der Verstorbenen verwiesen wird (oder beides), lässt sich nicht sicher sagen. Möglicherweise ist diese Mehrdeutigkeit aber auch bewusst beabsichtigt, wie mittlerweile auch zahlreiche weitere Grabgestaltungen nahelegen, die Sie in unserer Bildergalerie bestaunen können.
Grabstein des Monats Mai 2018
Eine namenlose Frau, dermaßen unbekleidet, dass sie nicht einmal über ein Gesicht verfügt; ihre makellose Figur angedeutet in wenigen Strichen; ihre Identität reduziert auf handgefertigte Konturen aus leblosem Material. Es geht hier weder um eine Strandszenerie, noch um Magazine aus der obersten Reihe im Zeitschriftenregal – sondern, natürlich, um den Grabstein des Monats.
Körperfiguren am Grab sind aufmerksamen LeserInnen dieser Rubrik ein vertrauter Anblick. Dass die Bestattungskultur längst Leiblichkeiten aufbietet, die aus dem Darstellungskanon mit vertrauten religiösen Protagonisten fallen, kann auf vielen Friedhöfen im deutschsprachigen Raum bezeugt werden. Aber es muss denn gleich eine nackte Frau sein? Die Antwort lautet offenkundig ja, und das hier gezeigte Beispiel gehört noch zu den abstrakteren, zu denjenigen Versionen des Kernmotivs also, die die näheren Details aussparen. Wir hätten Ihnen an dieser Stelle auch Grabstätten zeigen können, die der Fantasie weit weniger Spielraum lassen.
Mit anderen Worten: eine spezifische Idee lässt sich auf vielfache Weise zum Ausdruck bringen. Subtil, plakativ oder andeutungsvoll – von allen Varianten gibt es Realisierungen, hier und da wird darum gestritten, und allemal darf gerätselt werden, was die versteckte Bedeutung sein mag, die für gewöhnlich der Grabstein nicht verrät – und die es dennoch gibt?
Grabstein des Monats April 2018
Antoine de Saint-Exupérys Geschichte vom kleinen Prinzen (Erstveröffentlichung am 6. April 1943 in New York) rührt seit fast auf den Tag genau 75 Jahren Generationen von Lesern zu Tränen. Sie handelt von einem Piloten, der nach einer Notlandung in der Wüste auf den kleinen Prinzen trifft. Dieser berichtet ihm von seinem Heimatplaneten, seinen Reisen durch das Universum und seiner unentwegten Suche nach Freunden. Die Erzählung ist vor allem für ihren hohen Symbolgehalt bekannt: Liebe, Sehnsucht, Einzigartigkeit – zwischenmenschliche Werte, die nicht zuletzt dann von Bedeutung sind, wenn es darum geht, sich von einer geliebten Person zu verabschieden, sich an sie zu erinnern und die einmalige Beziehungsqualität zum Ausdruck zu bringen. Es ist daher kein Zufall, dass man dem kleinen Prinzen mittlerweile in zahlreichen Varianten auch auf dem Friedhof begegnen kann – nicht nur an Kindergräbern, wie unser neuester Grabstein des Monats beweist.
Grabstein des Monats März 2018
»Mein kleiner grüner Kaktus stirbt draußen am Balkon…« Grün sieht dieser Kaktus nicht aus, aber grün muss man ihn sich wohl vorstellen. Herbert wird hier mit einem floristischen Gruß verabschiedet – aber nicht, wie man es traditionell kennt, mit einem Blumenwurf bei der Bestattung oder mit dem Ablegen eines Gewächses an der Grabstätte. Die stachelige Pflanze ziert vielmehr den Grabstein und deutet damit an, dass Herbert entweder eine persönliche Beziehung zu Kakteen gepflegt hat bzw. eine bildersprachliche Bedeutung hinter dem Grab steht, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sein soll.
Grabstein des Monats Februar 2018
Dass der Friedhof zunehmend bunter wird, das zeigen unsere Funde immer wieder aufs Neue. Mit der Individualisierung des Totenackers gehen nicht zuletzt auch Effekte der Globalisierung und Migration einher. Für Menschen, die ihr Herkunftsland aus unterschiedlichen Gründen verlassen haben, stellt sich am Ende ihres Lebens einmal mehr Frage nach dem Ort ihrer Heimat – und dem ihrer Beisetzung. Ist Heimat dort, wo man geboren wurde und aufgewachsen ist? Dort wo man sich die längste Lebenszeit aufgehalten hat? Wo einen die meisten Leute kennen? Wo man die schönsten Momente erleben durfte? Oder etwa dort, wo man seine letzten Lebensjahre verbracht hat? Gerade wenn es darum geht, einen geeigneten Beisetzungsort zu finden, drängen sich solche Überlegungen auf. Was bedeutet es vor diesem Hintergrund, sich ›in Heimaterde‹ bestatten zu lassen? Es lässt sich jedenfalls feststellen, dass Beisetzungen immer häufiger nicht mehr im Herkunftsland stattfinden, sondern im Migrationsland, in dem sich das Leben (größtenteils) abgespielt hat. Auf manchen Friedhöfen gibt es mittlerweile sogar eigene Felder, auf denen Menschen einer bestimmten Kultur-, Religions-, oder Nationenzugehörigkeit mit entsprechenden Ritualen und besonderer Grabästhetik bestattet werden können. Auf diese Weise findet die kulturelle Vielfalt, die die moderne Gesellschaft prägt, auch post mortem eine Fortsetzung.
Grabstein des Monats Januar 2018
Wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern ein schönes und vor allem lebendiges neues Jahr! Wie ließe sich ein solcher Wunsch besser illustrieren, als mit Zweisamkeit, Sonnenstrahlen – und einem Frosch? Ob die Sonne vor diesem Pärchen unter- oder doch vielleicht aufgeht, soll hier nicht entschieden werden. Tröstender erscheint da schon die durchaus positiv gestimmte Mine des amphibischen Beobachters – zumal Frösche in verschiedenen Kulturen als Glücksbringer und sogar als Fruchtbarkeitssymbole angesehen werden. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen allen ein vielfach erfolgreiches 2018!
Grabstein des Monats Dezember 2017
Spreek je Nederlands? Während unseren Reisen über die Friedhöfe von heute verschlägt es uns hin und wieder auch ins Ausland. Dort lässt sich ergründen, ob die Entwicklungen, die wir in Deutschland feststellen, auch anderswo auftauchen. In den Niederlanden ist das offensichtlich der Fall – zumindest, wenn es um individuelle Gestaltungen geht, wie unser aktueller Grabstein des Monats beweist. Es handelt sich um eine originelle Versinnbildlichung für das Lebensende. Seine Inschrift drückt aus, was man auch ohne nähere Sprachkenntnisse erkennen kann – frei übersetzt lautet sie: »Der Vorhang fällt.«
Grabstein des Monats November 2017
Wagen Sie sich im Trauermonat November doch wieder öfter auf den Friedhof – dorthin, wo sich Hase und Mausele begegnen.
Grabstein des Monats Oktober 2017
Passend zum Oktober: Ein etwas verspäteter Gruß von der Wiesn. O‘zapft is!
Grabstein des Monats September 2017
Musik ist auf dem Friedhof immer häufiger im Spiel. Vor allem die klassischen Instrumente und Formen finden auf dem Totenacker zunehmend steinerne und bildhafte Repräsentationen. Neben der persönlichen Bedeutung, die die Musik für die einzelnen Lebenswelten der Verstorbenen gehabt haben mag, weisen musikalische Referenzen noch einen weiteren Vorteil auf: Musik ist eine Facette, die – anders als etwa die Religion und entsprechende Symbole – als eine ausschließliche positive Kulturleistung gilt. Ganz gleich, ob es um E-Dur, c-Moll oder um Musik ganz ohne Tonart geht!
Grabstein des Monats August 2017
Dass der Friedhof Geschichten erzählt, ist sicher nichts Ungewöhnliches. Diesen Ruf hat er nicht nur den modernen Gräbern zu verdanken, die auf unterschiedliche Weise aus den etablierten Traditionen heraustreten, sondern natürlich auch den älteren Ruhestätten, die schon seit etlichen Jahrzehnten bestehen. Zu dieser Kategorie zählt auch unser aktueller Grabstein des Monats: Auf den Friedhöfen vieler Küstenstädte finden sich heute noch gut erhaltene (oder zwischendurch restaurierte) Grabmahle von Seefahrern. Schnell merkt man, dass solche maritimen Denkmäler nicht eben schweigsam, sondern geradezu geschwätzig daherkommen und bisweilen recht abenteuerliche Geschichten parat halten. So auch in diesem Fall: Man sichtet nicht nur Geburts- und Sterbedatum sowie das schon fast obligatorische Schiff, sondern erfährt obendrein einiges über den Lebenslauf des hier zur letzten Ruhe gebetteten Kapitäns. Sein Stein berichtet von Schiffsreisen an die Westküste Südamerikas, nach Mexiko und Australien, von der Gefangenschaft nach dem ersten Weltkrieg – und von der Heimkehr zu Gattin und Kindern. In Zeiten, in denen die Urnenbeisetzung im Meer nicht nur für Seeleute, sondern auch für Landratten zur populären Alternative geworden ist, verleihen derartige Grabsteine, die unter Denkmalschutz stehen und für die auch Patenschaften übernommen werden können, dem Friedhof hohen kulturhistorischen Wert. Sie sind Zeugen individueller Schicksale und geben zugleich Auskunft über regionale Besonderheiten.
Grabstein des Monats Juli 2017
Anstelle der individualisierten Grabgestaltungen, die Sie sonst an dieser Stelle bestaunen können, ist unser Grabstein des Monats Juli verhältnismäßig spartanisch. Lediglich die Namen der Verstorbenen und ihre Lebensdaten sind zu sehen; weitere Details werden nicht genannt. Wer weiß, womöglich wird dieser Reduktionismus die Wandlungstendenzen in der Bestattungskultur als ›klassisches‹ Konzept überdauern? Denkbar ist auch, dass das schlichte Design irgendwann eine Renaissance erfährt und zum wiedergeborenen Trend wird. Gleichwohl ist es nicht unwahrscheinlich, dass dieses Modell in einiger Zeit eher zu den älteren Gestaltungsvarianten gezählt werden wird – gerade deshalb, weil es nicht berichtet, wer hier liegt und welche Lebensleistungen sich mit den gezeigten Namen verbinden lassen. Wer weiß, vielleicht war Herr Bourdieu sogar ein berühmter Wissenschaftler? Das wird den Friedhofsspaziergängern, die die Muse finden, kurz an seiner Ruhestätte inne zu halten, nicht verraten.
Grabstein des Monats Juni 2017
Für unseren aktuellen Grabstein des Monats wagen wir uns in die Höhle des Löwen! Denn nicht nur in der fernen afrikanischen Steppe oder im etwas näher gelegenen Zoo kann man den ›König der Tiere‹ bestaunen – auch auf dem Friedhof ist er ein gern gesehener Gast, der unter allen Tiergattungen, die man hier in Stein verewigt findet, buchstäblich einen Löwenanteil ausmacht. So unterschiedlich Lebensweisen heute sind, so unterschiedlich ist auch die Bedeutung die dem Löwen an diesem Ort zukommen kann. Ob als Fabelwesen, Sternzeichen, Kinoheld, Wappentier, als Verkörperung eines Sehnsuchtsortes oder schlichtweg als Symbol für menschliche Attribute (Tapferkeit, Willenskraft, Macht, Selbstbewusstsein etc.) – solche Darstellungsvarianten verraten etwas über denjenigen, der hier seine ›letzte Ruhe‹ gefunden hat.
Grabstein des Monats Mai 2017
Generationenunterschiede lassen sich nicht nur aus Jahreszahlen, sondern auch von Symbolen ableiten. Unser Beispiel zeigt die – gar nicht so seltene – Tendenz, neben den Namen und die Lebensdaten ein Zeichen bzw. eine Abbildung zu platzieren, die einerseits die Persönlichkeit der Verstorbenen sinnbildlich verdeutlichen. Andererseits handelt es sich um eine Strategie, die auf kompakte Weise Unterschiede zwischen ›Lebensführungsprozeduren‹ hervor heben: während bei Vater und Mutter Eisenbahn und Wollknäuel noch für traditionelle, auch geschlechtertypische Freizeitbeschäftigungen stehen, ist der ebenfalls hier beerdigte Sohn durch die Kappe gekennzeichnet. Sie ist weniger spezifisch, sondern vielmehr ein Symbol von Jugendlichkeit schlechthin – Rainer war, so scheint der Grabstein zu besagen, auch mit 64 Jahren vor allem dies: ein Sohn.
Grabstein des Monats April 2017
Dreidimensionale Darstellungen von Körpern fehlen auf kaum einem Friedhof. Im Gegenteil: gerade sie sind es doch, die zur friedhofstypischen Atmosphäre wesentlich beitragen. Traditionell handelt es sich um imposante Engel-, Maria- oder Jesusfiguren, die beinahe majestätisch auf den Gräbern thronen. Während derartige Werke in erster Linie stilisierten, ästhetischen und symbolischen Konzepten folgen, sind es heute zunehmend auch die Verstorbenen selber, die an ihrer Ruhestätte als Denkmal aus Stein, Bronze, Messing etc. erscheinen. Im Vergleich zu ihren klassischen Vorläufern fallen viele von ihnen durch eine erstaunliche Lebendigkeits- und Alltagsnähe auf. Der Tote wird so gezeigt, wie sich seine Hinterbliebenen an ihn erinnern wollen, etwa in bestimmter Kleidung, in einer bestimmten Pose und/oder mit einem bestimmten Gesichtsausdruck. Dank seines lebensgroßen Abbildes kann man so manchem Verschiedenen buchstäblich auf Augenhöhe begegnen – wie auch im vorliegenden Fall: ein freundlich dreinblickender Herr mit Mütze, Getränk und Zigarette. Solche mitunter recht aufwändigen Körperinszenierungen verleihen der letzten Ruhestätte Individualität und Wiedererkennungswert. Zugleich geht damit ein interessanter Trend einher: Der Verstorbene wird dort als Lebendiger dargestellt, wo sein Leichnam bestattet wurde. Man kann hierbei zwischen zwei Körpern des Toten unterscheiden: einem ersten Körper, womit die am Grab unsichtbar gemachte Leiche gemeint ist, und einem zweiten Körper, nämlich dem Körper der Erinnerung an eine lebendige Person.
Grabstein des Monats März 2017
Die Berge und die See – beliebte Naturlandschaften im Leben, und mittlerweile auch nach dem Tod. Die Zusammenstellung wirkt auf den ersten Blick ungewöhnlich, zumal nach dem Berggipfel nicht schlichtweg Wellengang, sondern ein ausgewachsener Wal zu sehen ist. Für gewöhnlich ist er eher unter Wasser anzutreffen, um der Darstellung willen sehen wir ihn hier aber oberhalb. Die Gravur folgt jenen Trends, die auf dieser Webseite bereits seit Jahren verfolgt werden: Säkulare Symbole und Motive lösen religiöse ab; anstelle des Jenseitsausblicks erfolgt ein Rückblick auf Lebensleistungen und -einstellungen; und der ›Grabtext‹ wird somit generell individueller und persönlicher. Wer den Verstorbenen gut kannte, wird die Verbindung zwischen Berg, Wal und Biografie identifizieren können; und wem dies nicht gelingt, der kann nur erahnen, dass eine solche Verbindung besteht.
Grabstein des Monats Februar 2017
Längst ist auf dem Friedhof der Übersichtsplan nicht mehr die einzige Karte, die man bestaunen kann! Wie unser aktueller Grabstein des Monats beweist, kann man sich auch nach seinem Ableben noch in die Karten schauen lassen. Tatsächlich nimmt die Spielkarte unter den beliebtesten Grabmotiven zu. Das erscheint plausibel, bedenkt man, dass mit dem Kartenspiel nicht nur eine frühere Passion angesprochen wird, sondern dass es durchaus als Sinnbild des Lebens fungiert: Mal hat man bessere und mal schlechtere Karten, mal muss man was riskieren und alles auf eine Karte setzen – und selbst wenn so mancher Traum zusammenfällt wie ein Kartenhaus, hat man bisweilen noch ein Ass im Ärmel.
Grabstein des Monats Januar 2017
Wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern ein schönes neues Jahr – mit spitzer Feder und Schreibtischunterlage im Anschlag! Unser Grabstein des Monats präsentiert Utensilien, die in Zeiten der Tastatur nicht mehr ganz alltäglich sind. Überlebensgroß und dennoch gewissermaßen realistisch gestaltet prangen sie am Grabe eines Ehepaares, dem ein vergleichsweise langes Leben vergönnt war. Ob es einer schriftstellerischen Tätigkeit gewidmet war, ob die beiden passionierte Briefeschreiber waren, oder ob ein anderer Kontext hinter dieser Gestaltungsvariante steckt, lässt sich nicht sagen. Aber einmal mehr zeigt sich, dass moderne Gräber immer häufiger ein Design aufweisen, das vom Kanon der traditionellen Darstellungen abweicht – und das damit einer Ruhestätte Einzigartigkeit verleiht, selbst dann, wenn – wie hier – die eingebaute Versatzstücke an sich noch nicht sehr individuell daher kommen.
Grabstein des Monats Dezember 2016
Weiße Weihnachten dieses Jahr? Das steht noch in den Sternen! Aber zumindest auf diesem Grabstein fallen schon einmal die ersten Flocken. Auch wenn das Rodeln auf den meisten Friedhöfen nicht erlaubt ist, zeigt sich gerade an diesem Ort, dass die persönlichen Vorlieben der Verstorbenen alles andere als Schnee von gestern sind, sondern bis in die Gegenwart – und mitunter weit darüber hinaus – präsent gehalten werden. Hier wird möglicherweise einer Zuneigung zur weißen Pracht Ausdruck verliehen, vielleicht werden die Eiskristalle aber auch als ästhetische Zeichen für menschliche Eigenschaften verstanden: Individualität und Vergänglichkeit.
Grabstein des Monats November 2016
Zu den eher geläufigen Metaphern der Kulturgeschichte des Todes gehört der Vergleich des Lebens mit einem Spiel oder einem Konkurrenzkampf, den nicht jeder gewinnen kann. Entsprechende bildersprachliche Darstellungen säumen auch und gerade die Grabstätten, die gegenwärtig angelegt werden; denn Spielen und spielerische Elemente sind auch in den Lebenswelten immer verbreiteter, weshalb sollten sie dann nicht auch im Tod repräsentiert sein?
Das Schachspiel stellt vor diesem Hintergrund eine besondere interessante Variante dar, handelt es sich doch um ein komplexes, in unendlichen Spielzügen durchführbares und eher als intellektuell geltendes Freizeitvergnügen mit durchaus sportlichen Implikationen. Wir sehen hier eine Anordnung, bei der der schwarze Turm vom weißen Springer unmittelbar bedroht ist – eine Abbildung, die etwas über die Lebens- oder Todesumstände der/des Verstorbenen mitteilen will, oder eine rein ästhetische Darstellung? Das bleibt im Dunkeln. Klar jedoch ist, dass das Schachfeld und seine Figuren dem Stein eine eigenwillige Note verleihen, die sich auf verschiedene Weise mit dem Verhältnis von Leben und Tod verknüpfen lässt. Sterben als Schachmatt begreifen ist nur eine davon.
Grabstein des Monats Oktober 2016
»Narrenhände beschmieren Tisch und Wände«, sagt der Volksmund. Heutzutage hört man diesen Spruch gehäuft in Verbindung mit Graffiti. Über die ästhetische Qualität dieser bunten Bilder, Zeichen und Schriftzüge kann man sicherlich streiten. Ob als Vandalismus verpönt oder als Kunst gefeiert, Graffiti sind innerhalb der Jugendkultur fest verwurzelt. Sie lassen sich als kreativer Akt der Selbstdarstellung und Ausdruck von Persönlichkeit betrachten, den man mittlerweile nicht nur an Hausfassaden, Mauern, Brückenpfeilern oder Bahnwagons bewundern kann – auch so mancher Grabstein versprüht auf diese Weise Originalität. Wie die Ruhestätte eines szenebekannten Graffitikünstlers untermalt, ist das so genannte ›tag‹ zumindest an diesem Ort nicht illegal, sondern ein legitimer Verweis auf die dominierende Freizeitpassion des Verstorbenen.
Grabstein des Monats September 2016
Der Weltraum – unendliche Weiten… Bezüge auf Sternebilder, Himmelszeichen, Planeten und andere Gestirne bieten sich zur Personalisierung des Grabsteins insofern an, als sich daraus gleich mehrere Bezüge zu Lebenswelten herstellen lassen: Ob man nun astrologisch oder astronomisch begeistert war oder die Symbolik des Unendlichen mag; ob man römische Religionskonzepte oder die Ästhetik typisierter Weltraumdarstellungen mochte; ob man passioniert durch das Teleskop schaute oder schlichtweg einen ansehnlichen Kontrast zu den üblichen Darstellungen wünscht, die Sterne machen, wie unser aktuelles Beispiel zeigt, vieles möglich.
Grabstein des Monats August 2016
Zur Sommerzeit haben die Biergärten bekanntlich Hochkonjunktur; der Gerstensaft fließt in Strömen. Auch bei unserem Grabstein des Monats ist weder Hopfen noch Malz verloren! Anstelle eines Steines handelt es sich diesmal um ein kreatives Blumenkunstwerk, das den Betrachter zum Schmunzeln einlädt. So vertraut einem der Anblick von Blumen auf dem Friedhof ist, so sehr ist man überrascht, wenn man einem solchen Arrangement begegnet. Die »Freunde aus der Pilsstubb« haben diesen nicht unbedingt bierernst anmutenden Abschiedsgruß vor einer Urnenwand hinterlassen. Auf ausgefallene Weise machen sie damit deutlich, dass neben den Familienangehörigen zunehmend auch andere Bezugspersonen an der Ruhestätte als Trauernde in Erscheinung treten. Soziologen sprechen hierbei von »posttraditionalen Gemeinschaften«, die in der modernen Gesellschaft – auch über den Tod hinaus – an Bedeutung gewonnen haben.
Grabstein des Monats Juli 2016
Über den Wolken ist die Freiheit bekanntlich grenzenlos. Diese luftige Metapher hat in verschiedenen Darstellungsvarianten längst auch die ›Gegenrichtung‹ erreicht, nämlich den Friedhof. Hier geht es nicht um weite Höhen, sondern eher um das Begraben in 2 Meter Tiefe. Und doch ist das Sinnbild passend; denn der Tod ist schließlich nicht lediglich eine körperliche Angelegenheit, sondern wirft auch Fragen nach Charakter, Geist, Seele, Bewusstsein usw. auf. Diese wahre Essenz des Menschen kann, mag dieser Grabstein besagen, post mortem tatsächlich über bzw. zwischen den Wolken schweben – in einer unendlichen Weite, die der unendlichen Zeitspanne des Totseins entspricht.
Grabstein des Monats Juni 2016
Der Adler gilt nicht nur als ein beliebtes Wappentier, sondern er fungiert gerne auch als Sinnbild für menschliche Eigenschaften: Kraft, Mut, Weitblick, Macht – und Unsterblichkeit. In der Symbolik des Christentums ist er zudem als Zeichen für die Himmelfahrt bekannt. Die Zuschreibung derartiger Attribute macht den »König der Lüfte« zu einem Zeitgenossen, den man nicht nur im Wildpark, sondern auch auf dem Friedhof beobachten und bewundern kann. Seine (nicht nur) steinerne Präsenz gibt an diesem Ort Auskunft darüber, welche Persönlichkeitsaspekte wichtig sind, wenn sich Menschen aneinander erinnern.
Grabstein des Monats Mai 2016
Ob man der D-Mark nun nachtrauert oder nicht – Wiederbegegnungen mit der alten Währung haben etwas Nostalgisches an sich. Das ist auf dem Friedhof nicht anders. Hier wurde einem Anhänger der Philatelie seine Leidenschaft ans Grab montiert – oder handelt es sich um einen Freund der Stadt Lübeck? Ganz deutlich wird das nicht. Wer weiß; vielleicht ist die Briefmarke auch ein subtiler Hinweis, dass man sich zu Lebzeiten öfter schreiben sollte, wenn man sich nicht häufig sieht, bevor die Gelegenheit dazu irgendwann fehlt.
Grabstein des Monats April 2016
Auch die pragmatische Lösung möchten wir einmal würdigen! Heute werden Gräber zunehmend schlichter eingerichtet. Das soll auch für diesen Kommentar gelten.
Grabstein des Monats März 2016
Viele Friedhofsbesucher, die sich moderne Friedhofsareale etwas aufmerksamer anschauen, überrascht es, an den Ruhestätten erwachsener, mitunter hochbetagt Verstorbener auf Bilder, Symbole und Figuren zu treffen, die gemeinhin mit der Kindheit und Jugend assoziiert sind.
So auch in diesem Fall, wo ein Teddybär – vermutlich ein ganz spezielles Fabrikat – das Grab einer beinahe 65-Jährigen ziert. Während in solchen Fällen stets die Möglichkeit gegeben ist, dass zwischen der verstorbenen Person und ihrem Grabmotiv ein beruflicher Zusammenhang bestand, darf wohl in den meisten Fällen eher davon ausgegangen werden, dass mit dem Lebensende ein Rückblick an den Lebensanfang hergestellt wird.
Der Teddybär fungiert nicht nur als Symbol der Kindheit, sondern steht auch für eine Lebensphase, in der man sich geborgen wähnen durfte, in der gesellschaftliche Zwänge kaum zu spüren waren und in der Welt ein großes Abenteuer zu sein schien, das jeden Tag ein wenig genauer durchleuchtet wird. Mit wachsendem Alter entfernen Menschen sich von dieser Haltung. Manche erinnern sich später gerne dieser Zeit und sprechen darüber – und Angehörige, die zuhören, können daraus ablesen, wie sich ein Lebenslauf am Grabstein symbolisch schließen lässt.
Grabstein des Monats Februar 2016
Alaaf und Helau! Ob Fasching, Fastnacht oder Karneval: auch auf dem Friedhof sind die Jecken los. Büttenrede statt Trauerrede, und Kamelle statt Blumen? Angesichts so mancher Gestaltungsidee könnte man es zumindest meinen. Denn hier trifft man mittlerweile immer häufiger auch auf solche Elemente, die während der fünften Jahreszeit nicht fehlen dürfen. Die Narrenkappe gilt dabei als ein beliebtes Sinnbild, das für eine Passion, eine Berufung, eine Charaktereigenschaft oder auch für eine Lebenseinstellung stehen kann. Unser Grabstein des Monats berichtet vom bunten Treiben, das offenbar nicht nur das Leben bestimmt hat – und er zeigt, dass selbst nach dem Tod kein Aschermittwoch sein muss. Einmal mehr wird deutlich, wie vielfältig der zeitgenössische Umgang mit Verlust und Erinnerung ausfällt. Und oft bedeutet das auch: Der Humor endet nicht vor dem Friedhofstor!
Grabstein des Monats Januar 2016
Zu den traditionellen Grabsteinsymboliken, die im deutschsprachigen Raum seit Jahrhunderten auf dem Friedhof gefunden werden können, gesellen sich zunehmend Zeichen, Schriften und kalligrafische Elemente, die offenkundig wenig bzw. nichts mit klassischer Bestattungskultur zu tun haben.
Ein solches Beispiel zeigt unser Grabstein des Monats: Die dreidimensional dargestellte Pyramide ist ein durchaus bedeutungsvolles, kulturhistorisch sehr altes Symbol, das im Zusammenhang mit der ägyptischen Pharaonenkultur sogar recht deutlich als Referenz auf Lebensende und Begräbnis interpretiert werden kann. Und doch geht es nicht um Anjotef oder Ramses, sondern um Hans-Udo, der hier seine letzte Ruhestätte gefunden hat, und der mit der Pyramidenskizze offenbar mehr zu assoziieren wusste, als sein Grab auf den ersten Blick preisgibt.
Grabstein des Monats Dezember 2015
Unser Grabstein des Monats weist eine gewisse Mehrdeutigkeit auf: Vermutlich steht das eingravierte Bild für einen Beruf, dem der Verstorbene zu Lebzeiten nachgegangen ist. Aber nicht nur auf dem Friedhof, vor der Haustür oder auf Dächern dürften einem Schornsteinfeger in den nächsten Tagen häufiger begegnen. Schließlich zählen sie zu den weltweit bekanntesten Glücksboten für das neue Jahr. Dieser schon seit dem 16. Jahrhundert verbreitete Volksglaube hat seine Ursprünge in der Zeit des Mittelalters, als Schornsteinfeger die damals noch leicht entflammbaren Häuser vor Bränden schützten. Ihr Auftritt auf dem Friedhof hat daher nicht nur einen lebensweltlichen Bezug, sondern kann zugleich als Ausdruck von Zuversicht verstanden werden.
Grabstein des Monats November 2015
Abschlag! Golf und grüner Rasen – das passt zu vielen Friedhofsarealen. Kein Wunder, dass mancher passionierte Golfer sich mutmaßlich wohl fühlt, wenn er auf ewig ruht – obwohl die typischen Hindernisse und Zielfelder leider fehlen. Bemerkenswert ist an dem vorliegenden Beispiel, dass es die Bandbreite möglicher Bezugsdimensionen zeigt: Golfer und Golfschläger sind als Körpersilhouette nur angedeutet. Häufiger kommen in Stein gemeißelte Golf-Utensilien vor, und selbst den in die Grabstätte eingelassenen Putter oder den abgelegten Golfball kann man hin und wieder finden, wenn man auf Friedhöfen die Augen offen hält. Das Handicap mag in diesem Zusammenhang zwar der Tod sein, und doch wird deutlich auf eine sehr ›lebendige‹ Aktivität verwiesen. Wiederum wird der Jenseitsblick ersetzt durch den Rückblick auf die Lebenswelt.
Grabstein des Monats Oktober 2015
Das Haustier auf einem Friedhof zu begraben, ist mittlerweile kein ungewöhnliches Ansinnen mehr. Die wachsende Zahl der Tiernekropolen in den vergangenen Jahren verweist auf einen Bedeutungswandel des Heimtieres: es wird heutzutage oft als ›Familienmitglied‹ wahrgenommen, geliebt – und betrauert. Zahlreiche Tiergrabstätten zeugen vom emotionalen Stellenwert, den der animalische Gefährte zu Lebzeiten besaß und post mortem offenbar immer noch inne hat. Wie das Grab von »Bubi« demonstriert, wird die Ehre einer eigenen Ruhestätte nicht nur den beliebten Vierbeinern (Hund und Katze) zuteil, sondern zuweilen auch den gefiederten Freunden. Sie hinterlassen nicht nur einen leeren Käfig, sondern auch eine Lücke im Leben ihrer Halter – die sich selbst indes weniger als ›Besitzer‹, denn als soziale Bezugsperson definieren.
Grabstein des Monats September 2015
Fische gelten zwar traditionell als Symbole für den christlichen Glauben. Es darf jedoch bezweifelt werden, dass dieses Exemplar für einen religiösen Bezug steht. Vielmehr stellt uns dieser prächtige Bewohner der Gewässer vor die Frage, was Theophil S. damit binnen der 81 Jahre seines Lebens zu verbinden wusste? War er passionierter Angler? Bereitete er solche Tiere gerne für Mahlzeiten zu? Hat er sie gezüchtet? Oder steckt dahinter doch mehr, als der erste Anblick der Grabplatte am Kolumbarium offenbart? Wie so oft, sollen wir es auch in diesem Fall nicht genau wissen.
Grabstein des Monats August 2015
Millionen Menschen atmen auf! Denn im August rollt das runde Leder endlich wieder über den grünen Bundesliga-Rasen. Auch wenn man es vielleicht nicht auf Anhieb erwartet, ist es bis zum grünen Friedhofs-Rasen nicht weit: Neben so genannten »Fanfriedhöfen«, die optisch an ein Stadion erinnern, sind auf vielen Grabsteinen Fußbälle und die Embleme bekannter (und auch weniger bekannter) Mannschaften zu beobachten. Von der Champions-League bis zur Kreisklasse reicht dieses bunte Sammelsurium. Lieblingsvereine bieten Möglichkeiten zur Identifikation; man jubelt mit ihnen in guten Zeiten, und leidet mit ihnen in weniger erfolgreichen Tagen. Unser Grabstein des Monats ist nicht nur ein hervorragendes Beispiel für die Koexistenz von sakralen und weltlichen Bezügen – nebenbei bringt diese Konstellation auch die aktuelle Situation des FC Schalke auf den Punkt.
Grabstein des Monats Juli 2015
Das Oval ist die traditionelle Einrahmung von Grabsteinbildnissen und war in dieser Funktion schon im 19. Jahrhundert auf Friedhöfen zu finden. Nach einer längeren, historisch bedingten Unterbrechung feiern Grabsteinfotos erst seit den 1990er Jahren wieder eine Renaissance auf bundesdeutschen Bestattungsarealen. Anstelle des typischen Porträts werden die Ovale dabei zunehmend für die Darstellung geliebter Mitmenschen, Dinge oder sogar Haustiere verwendet.
Hier sehen wir ein solches Beispiel: Nicht »Romeo«, der geliebte Kater, liegt hier begraben, sondern sein Frauchen. Der Grabstein befindet sich also nicht auf einem Tierfriedhof, sondern auf einem für Menschen gedachten Gottesacker. Gleichwohl macht die Platzierung der Fotografie deutlich, was gesagt werden soll: Noch im Tode soll »Romeo« in der Nähe sein. Gut möglich, dass das Tier, dessen Antlitz nun ein Grab ziert, selbst noch quicklebendig ist.
Grabstein des Monats Juni 2015
Im Alltagsleben werden Menschen vor allem anhand ihrer Gesichter adressiert und (wieder-)erkannt. Nicht umsonst haben Gesichter in der westlichen Gedenkkultur seit langer Zeit einen festen Platz, wie beispielsweise Gemälde, Fotografien oder auch Totenmasken belegen. Folglich dürfte es auch das Gesicht sein, das einem als erstes vor dem inneren Auge erscheint, wenn man sich an einen verstorbenen Nahestehenden erinnert. Lässt man seinen Blick über die Gräberreihen des Friedhofes schweifen, begegnen einem häufig Gesichter. Neben dem Antlitz des Gekreuzigten oder der Jungfrau Maria fehlen Fotos, Gravuren oder Statuen der Verstorbenen mittlerweile auf kaum einem Totenacker. Angesichts der zunehmenden Personalisierung und Individualisierung von Grabstätten verwundert das nicht. Indem der Grabstein buchstäblich ein Gesicht bekommt, verrät er seinem Betrachter etwas darüber, wer (und wie) der Verstorbene für »seine« Hinterbliebenen gewesen ist. Just an jenem Ort, an dem der Leichnam beigesetzt und damit zum Verschwinden gebracht wurde, kann man dem Verstorbenen durch sein Abbild in die Augen schauen.
Grabstein des Monats Mai 2015
Der Geburtsort ist zwar ohne Zweifel keine individuelle Leistung, die einem Menschen nach dem Ende seines Lebens zugeschrieben werden kann: Wann, wo und unter welchen Umständen das Leben beginnt, kann niemand selbst steuern. Anders sieht es allerdings aus, wenn man sich bewusst mit einer Stadt in Verbindung bringt und dadurch auf eine spezifische Mentalität, auf eine Haltung, vielleicht sogar auf einen bestimmten Dialekt verweist. Entsprechende Brücken zwischen Person und Ort werden auf zeitgenössischen Friedhöfen gar nicht so selten geschlagen, wie unser Grabstein des Monats stellvertretend unter Beweis stellt. Hier ruht »ne Kölsche Jung«, der sicherlich noch weitere soziale Rollen gespielt hat und nicht allein Kölner war. Aber die Verbindung zur Domstadt war ihm selbst (oder seinen Hinterbliebenen) wichtig genug, um sie über den Tod hinaus zu bewahren.
Grabstein des Monats April 2015
Der Frühling steht vor der Tür! Damit beginnt die Zeit, in der viele Menschen ihre Fahrräder wieder aus dem Schuppen holen, sich auf den Sattel schwingen und kräftig in die Pedale treten. Schließlich ist der Drahtesel häufig nicht nur bloßes Fortbewegungsmittel, sondern gehört zu den beliebtesten Freizeitgegenständen für Jung und Alt. Zwar führen die Radwege (noch?) nicht über den Totenacker – als lebensweltliches Symbol für Freizeitbeschäftigung, Wettkampf, Zielankunft etc. hat das Fahrrad mitsamt seinem Zubehör dennoch längst die modernen Grabsteine erreicht. Die Variationenvielfalt ist beeindruckend, und man könnte fast meinen, dass zumindest an diesem Ort das Rad immer wieder neu erfunden wird: Vom Rennrad über Mountainbike und BMX bis hin zu Tandem und Dreirad lässt sich auf den Friedhöfen von heute mittlerweile alles finden, was Radlerherzen höher schlagen lässt
Grabstein des Monats März 2015
Mit dem Tod wird bildersprachlich die Reise in eine andere Welt angetreten. Alternative Wirklichkeiten lassen sich aber schon im Diesseits finden, und für viele Menschen ist die Begegnung mit fremden Kulturen in fernen Ländern eine reizvolle Herausforderung. Unser Grabstein des Monats präsentiert zum einen das Motorrad als symbolisches Instrument des Verreisens und Vorankommens und zum zweiten Afrika als wohl nicht nur sinnbildlichen, sondern in diesem Fall offenbar ganz konkreten Sehnsuchtsort: in der Gravur ist Kamerun hervorgehoben. Kontrastiert werden beide bildhaften Darstellungen durch eine heute eher seltene Inschriftart – einen biblischen Psalm.
Grabstein des Monats Februar 2015
Hobbys und Leidenschaften zählen zu den häufigsten Motiven moderner Grabsteine. Das ist nicht verwunderlich, wird doch die letzte Ruhestätte immer stärker im Sinne eines Rückblicks auf eine individuelle Lebenswelt eingerichtet. Geliebte Freizeitbeschäftigungen sind dazu geeignet, denn sie werden oft ein Leben lang an verfolgt bzw. geschätzt. Außerdem können sie am Grab meist durch einfache Symbole ausgedrückt werden, die wenig Platz und in der Regel keiner weiteren Erläuterung bedürfen. Sofort weiß jeder, was gesagt werden soll, wenn etwa ein Fußball, eine Trompete oder ein Fahrrad die Grabstätte ziert.
Anders in diesem Fall: Dass es sich bei »DL2SDU« nicht um eine Geheimsprache handelt, sondern um einen Codenamen im Hobbysprechfunk, dem der Verstorbene früher offenbar passioniert nachging, dürfte nur von »Kennern« auf Anhieb entschlüsselt werden.
Grabstein des Monats Januar 2015
Während Neugründungen von regulären Friedhöfen in Deutschland mittlerweile zur Seltenheit geworden sind, florieren Tierfriedhöfe umso mehr. Dies ist nur eines von mehreren Indizien, die dafür sprechen, dass Haustieren auch im Bestattungskontext eine immer größere Rolle zukommt. Frauchen und Herrchen trauern heute offener – und auch investitionsfreudiger – um ihre verlorenen Lieblinge, als jemals zuvor.
Bekanntlich sind Tierdarstellungen aber auch auf Menschenfriedhöfen sichtbar; diese Verweise sind ambivalenter, beziehen sie doch neben den Haus- auch Nutz- und Symboltiere mit ein.
Unser Grabstein des Monats tanzt insofern aus der Reihe, als die häufigsten Grabsteintiere heute Katzen und Elefanten sind – während dieses Grab einen Vogel hat. Wir sehen einen gefiederten Freund, der womöglich als Haustier Freude bereitet hat und/oder nun ein »Hinterbliebener« ist, der, auf der Käfigstange sitzend, um die verstorbene Person trauert. Deutlich wird in jedem Fall, dass die Mensch-Tier-Beziehung intensiv genug war, um mit ins Grabensemble aufgenommen zu werden. Während sonst allenfalls ein menschlicher Konterfei in den Stein graviert wird, ist es hier das »Antlitz« eines geliebten Vogels.
Grabstein des Monats Dezember 2014
Schon lange finden sich auf Gräbern neben den nüchternen Lebensdaten der Verstorbenen auch Inschriften in Form von Sinnsprüchen. Traditionell handelt es sich dabei hierzulande meist um Verse aus der Liturgie. Im Schatten der Individualisierung und der Pluralisierung von Abschied, Trauer und Gedenken lässt sich aber mittlerweile auch eine große Vielfalt von Grabsprüchen beobachten. Deren Ursprünge wurzeln immer häufiger in säkularen Kontexten. Neben privaten Poesien des Verstorbenen oder seiner Angehörigen bedient man sich somit immer häufiger auch bekannter Zitate aus der Welt des Films und Fernsehens, aus Literatur und Theater, aus Wissenschaft und Politik, aus Lyrik und alltäglichem Sprachgebrauch, oder – wie im vorliegenden Fall – aus der Musik. Dieser Grabstein bricht auch insofern mit gewohnten Konventionen (und bekräftigt damit einen weiteren Trend), als er Nachnamen und Lebensdaten wiederum verschweigt und die Verstorbene somit nur noch für ihre Angehörigen näher ›identifizierbar‹ bleibt.
Grabstein des Monats November 2014
Grabsteine waren schon immer insofern »personalisiert«, als sie traditionell den Namen und die Lebensdaten der verstorbenen Person aufwiesen. Diese Form der Verbindung von Erinnerungsstätte und subjektivem Lebensverlauf war allerdings sehr »förmlich« – außenstehenden Friedhofsbesucher wurde dadurch nichts von dem Charakter und von den Eigenheiten der oder des Beerdigten verraten. Im Zuge der Individualisierung machen die herkömmlichen »Grabinformationen« seit einiger Zeit zunehmend solchen Grabgestaltungen Platz, die den Begriff »Person« wortwörtlich mit der Persönlichkeit verbinden. Auch dabei können natürlich nur einige Lebensaspekte präsentiert werden, und auch sie lediglich in komprimierter Form.
Unser Grabstein des Monats zeigt ein solches Beispiel: Der Verstorbene ist hier nicht mit einem Spitznamen aufgeführt – sondern offenbar gleich mit zwei! Sein Gemüt war, das sollen die Betrachter erfahren, sonnig, und seine Leidenschaft verraten die beiden musikalischen Symbole. Vermutlich hat »Bully« gerne Trompete und Gitarre gespielt – und just diese Attributen, Hobby und Spitznamen, sind die »Andockstellen« für Erinnerungsleistungen an seinem Grab. Die Versachlichung des Lebens am Grab weicht zunehmend einer individuellen, durchaus bunten, durchaus eigenwilligen Bilanz.
Grabstein des Monats Oktober 2014
Alles ist vergänglich! Aber wohl an kaum einem anderen Ort wird einem die Endlichkeit des Lebens drastischer vor Augen geführt als auf dem Friedhof. Zu den typischen Vanitassymbolen der Grabmale gehören neben Kreuzen, Kerzen und Rosen auch Darstellungen von Uhren. Das Chronometer gibt es inzwischen in allen möglichen Varianten. Es ist nicht nur ein zentraler Taktgeber der modernen Gesellschaft, der das (Zusammen-)Leben strukturiert; Uhren besitzen zugleich einen symbolischen Gehalt. Als Zeichen des memento mori sind sie häufig in den Stein graviert, zuweilen findet man sogar echte Uhren als Ablagegegenstände am Grab. Im vorliegenden Fall wird das Zeitmotiv zum einen durch das silberfarbene Pendel einer Wanduhr angedeutet. Man wird bildhaft daran erinnert, dass der Lebenslauf sowohl mit verrinnender Zeit, wie auch mit dem geradezu metronomartigen Rhythmus des Herzschlages in Verbindung steht. Etwas kryptisch mutet zudem die Inschrift an – ein lakonischer Ausdruck der Sehnsucht nach mehr (gemeinsam geteilter) Lebenszeit…
Grabstein des Monats September 2014
Zunehmend lässt sich eine Tendenz hin zur Verrätselung von Grabinschriften feststellen. Dort, wo die Lebensweisen von Menschen eher auf das engere soziale Umfeld zugeschnitten sind – anstatt, wie zu früheren Zeiten und heute noch bei dörflichen Strukturen, auf ein größeres Gemeinschaftswesen –, ist der Kreis der »Adressaten« geringer. Dafür sind diejenigen, die von einem Grab »betroffen« sind, aber auch wesentlich näher mit der verstorbenen Person bekannt gewesen. Aus dieser intimen Kenntnis ergibt sich die Möglichkeit, Andeutungen, Symbole und andere Verweise auszubuchstabieren, die folglich nur für ausgewählte Friedhofsbesucher einen greifbaren Sinn ergeben.
Unser Grabstein des Monats liefert eine vergleichsweise traditionelle Variante: Neben die Lebensdaten, eine ästhetische Figur und eine im wahrsten Sinne des Wortes herzliche Darstellung des Beziehungsverhältnisses ist durch einen Begriff und einen Zahlencode eine Bedeutungskonstellation gerückt, die uneingeweihte Betrachter absichtsvoll vor ein Rätsel stellt – während Insider genau wissen dürften, was es mit »Sao 73868« auf sich hat.
Grabstein des Monats August 2014
August heißt Sommerzeit. Und Sommerzeit heißt Reisezeit! Für viele Menschen ist das Flugzeug ein beliebtes Transportmittel, wenn es in die lang ersehnten Ferien geht. Hoch über den Wolken bringt sie das, wie es heißt, »sicherste Verkehrsmittel der Welt« in kurzer Zeit von A nach B. Dass das Flugzeug aber nicht nur eine komfortable Reise garantiert, sondern in vielen verschiedenen Variationen immer häufiger auch auf Grabsteinen landet, mag wohl in erster Linie mit seinem Symbolgehalt zu tun haben: Freiheit, Unabhängigkeit, Mobilität sind Kennzeichen eines selbstbestimmten Lebens in der modernen Gesellschaft – und zugleich Begriffe, für die der Flugverkehr steht. Außerdem geben solche Motive Einblicke in die Lebenswelt derer, für die die Fliegerei eine Leidenschaft ist. Und nicht zuletzt kann der Flieger auch für tragische Ereignisse stehen, etwa für einen Todesfall durch Absturz.
Grabstein des Monats Juli 2014
Die Traktorfahrt gehört üblicherweise zum Berufsalltag; als Freizeitbeschäftigung kommt sie wohl nur für wenige Menschen in Frage. Der Arbeitskontext bedeutet aber nicht zwingend, dass die Aufgabe unpersönlich oder gar aufgezwungen ist. Gerade der landwirtschaftliche Bereich taucht in Friedhofswelten immer wieder als Identifikationsmerkmal von Persönlichkeiten auf. Der Lebensrückblick deutet in solchen Fällen auf ein harmonisches Verhältnis von Person und Tätigkeit – so wie in diesem Beispiel, in dem der (führerlos gewordene) Traktor post mortem des Grabfeld umpflügen darf. Er ist ein gutes Beispiel für »Grabkultur« im wortwörtlichen Sinne – denn cultura bedeutet ursprünglich »Ackerbau«.
Grabstein des Monats Juni 2014
Die Beziehung zwischen Mensch und Tier hat sich verändert – und so hat auch der Heimtiertod in den letzten circa 20 Jahren an Bedeutung gewonnen. Das zeigt sich insbesondere am rasanten Anstieg von Tierbestattungen und der Installation von Tierfriedhöfen. Viele klassische und innovative Elemente des Menschenfriedhofs werden auch auf dem Tierfriedhof aufgegriffen – und bisweilen überspitzt. Das abgebildete Grab, und viele weitere, machen deutlich, dass die Anthropomorphisierung, also die Vermenschlichung der eigenen Haustiere, auch (und vor allem) post mortem eine Fortsetzung findet.
Grabstein des Monats Mai 2014
Christliche Symbole wie Kreuz, Engels-, Marien-, oder Jesusdarstellungen bekommen auf Gräbern heutzutage Konkurrenz von Zeichen, die nicht etwa auf Kollektivität und Jenseitsglaube anspielen, sondern eine persönliche Bilanz eines individuellen Leben sind. Sakrales und Profanes muss sich aber nicht unbedingt ausschließen; manchmal kann ein einzelnes Grabmotiv auch beides repräsentieren. Der Kölner Dom ist einerseits ein »Gotteshaus« und drückt andererseits als Wahrzeichen der Stadt Heimatverbundenheit aus – das Symbol wird so zum Persönlichkeitsmerkmal.
Grabstein des Monats April 2014
Autos sind nicht nur als Garanten der persönlichen Mobilität von Bedeutung, sondern auch als Statussymbole. Sie dienen beispielsweise dazu, eine spezifische Lebenseinstellung zum Ausdruck zu bringen, signalisieren einen bestimmten Wohlstand, verweisen metaphorisch auf den Wert der persönlichen Freiheit oder demonstrieren die Reisefreudigkeit der Wagenbesitzer. Diese vielfältige Anschlussfähigkeit eröffnet Kraftfahrzeugen zunehmend die Einfahrt auf den Friedhof – sei es in Form von Fotos, abgelegten Nummernschildern, ausrangierten Fahrzeugteilen oder aber, wie hier zu sehen, als Miniaturnachbildung des zu Lebzeiten gerne benutzten Wagenmodells.
Grabstein des Monats März 2014
Grabsteine traditioneller Friedhöfe sahen sich lange Zeit sehr ähnlich und versinnbildlichten damit nicht zuletzt die Idee der Gleichheit nach dem Tod. In Zeiten der Individualisierung tanzen moderne Gräber jedoch vermehrt aus der Reihe. Was Form und Farbe angeht, trotzt auch das vorliegende Beispiel den Konventionen und stellt dadurch einmal mehr unter Beweis: Der Friedhof wird bunter. Immer häufiger bringen Angehörige ihre eigenen Ideen in die Grabgestaltung mit ein. Statt eines teuren Grabsteins wurde hier ein Stück Holz verwendet und in bunten Farben bemalt – zugleich eine Form der Trauerarbeit mit »eigenen Händen«.
Grabstein des Monats Februar 2014
Tiere als Grabsteinsymbole auf Bestattungsstätten von Menschen fallen für gewöhnlich in eine von drei Kategorien: (1) Tiere mit religiösen Bezug (etwa Taube oder Fisch); (2) Tiere, die auf Haustiere/Nutztiere der Verstorbenen verweisen; (3) Tiere, die symbolisch für menschliche Charaktereigenschaften stehen. Hier sehen wir ein Beispiel für die letztgenannte Kategorie.